Ich habe eine wirklich harte Woche hinter mir. Mal abgesehen von den Renovierungsarbeiten, die zur Zeit zuhause laufen, war meine Arbeitswoche in psychischer Hinsicht echt eine Herausforderung. Ich weiß nicht, ob es die Auswirkung des Vollmondes zu Beginn der Woche war, aber so viel gesammelte Unfreundlichkeit und Dummheit auf einem Haufen haben auch wir im Einzelhandel eher selten am Stück. Viele sind ja der Meinung, dass man nur im Einzelhandel/Service landet, wenn man zu blöd ist, was „Vernünftiges“ zu lernen… Nun… Da bin ich anderer Meinung.

In Cafes, in der Bahn und in Geschäften kann man am besten Daten für anthropologische Studien sammeln. Zum Beispiel zum Einsatz der kognitiven Fähigkeiten im Alltag:

Die Tester sind bei uns grundsätzlich gut sichtbar gekennzeichnet und von jedem Produkt da. Sie erkennt man an einem weißen Aufkleber, der sich sehr gut von dem farbigen Hintergrund der Produktverpackung abhebt. Bei der Körpercreme ist das natürlich etwas tückisch: der gekennzeichnete Tester-Topf steht ca. 5 cm links von seinen zum Verkauf vorgesehenen Brüdern, die allesamt ein Siegel tragen. Er steht auf einem kleinen „Podest“. Mit viel freiem Raum drum herum. Ich verstehe – total unübersichtlich. Und wer kommt schon darauf, das so ein Topf mit „Tester“-Aufkleber und einem Spatel auf dem Deckel, auf einem kleinen Podest gut sichtbar paar Zentimeter links von den anderen gleich aussehenden Töpfen (nur ohne diesen Aufkleber und Spatel, dafür aber mit einem Siegel) positioniert, zum testen da ist..? Nene, ihr habt schon Recht – einfach ein Siegel aufbrechen und „oh! die ist ja noch zugeschweißt?!“-Moment erleben ist viel naheliegender. Logisch, tut uns leid, wir sind leider so dumm, dass wir nicht an diese Offensichtlichkeit gedacht haben.

Oder auch:

Produkte in gleicher Farbe mit der gleichen Duftnote stehen zusammen in einem Regal. Nur diese, äußerlich wie innerlich zusammengehörige Produkte, keine anderen. Aber ihr habt Recht, es fällt beim Betreten des Ladens überhaupt nicht auf, dass wir hauptsächlich nach Farbe sortierten Regale haben. Es ist auch nicht naheliegend, dass zu einem roten Duschprodukt eine rote Creme gehört, es könnte ja auch die orange, blaue, grüne oder gar die weiße Creme sein. So rein logisch betrachtet. Immerhin haben wir alle die Wahrscheinlichkeitsrechnung an der Schule mittels würfeln gelernt und wissen jetzt – es gibt viele wahrscheinliche Varianten. Oder auch nicht. Was wissen wir schon von Wahrscheinlichkeiten und Logik..? Wahrscheinlich gar nichts, wenn wir es nicht weiter als bis zu einer Verkäuferin geschafft haben.

Oder auch das, obwohl ich dieses Thema schon mal hatte:

Die meisten von uns haben ja lesen und schreiben gelernt. Weil: braucht man ja im Alltag dauernd. Und dann steht da im Geschäft eine Flasche, hoch, mit einer durchsichtigen Kappe, durch die man einen Sprühkopf sieht mit einer relativ großen runden Öffnung. Was das wohl sein mag..? Na dann nehmen wir das mal in die Hand… Um den Hals dieser Flasche baumelt auf einem runden Button ein kryptischer Hinweis „neugierig? ich stehe an der Wasserinsel…“ Was das wohl zu bedeuten hat..? Naja. Unten steht ja „Shower Gel“ drauf, also egal – ist was zum Duschen, jetzt wollen wir natürlich wissen, wie es riecht… (ihr wisst schon rot neben rot, gleiche Farbe viele verschiedene Gerüche und so…) Dann halten wir doch die Flasche von uns weg und drücken nur ein kleeeeeeeein bisschen drauf, damit mans riechen kann…. Oh! Ups! Wie verwirrend, es ist ja was rausgekommen! oh… hm. Also… sowas passiert normalerweise ja nicht, wenn man auf ein Sprühkopf drückt, egal ob Rasierschaum, Deo oder Haarspray… „Fräulein! Entschuldigung, wir wollten nur dran riechen, aber da ist ein bisschen was ins Regal gegangen…“ (genau genommen in drei, über 8 Produkte verteilt). „Ist schon in Ordnung, nutzen Sie bitte nur beim nächsten Mal unsere Tester an der Wasserinsel, wie es auf dem Button steht…“ *zeigt auf den vollgeschäumten Anhänger der Flasche*kassiert einen verwirrten Blick* „…was heißt das denn..?“ *ich, Gesicht und Mimik kaum noch unter Kontrolle* „Das heißt, dass der Tester, den Sie gern ausprobieren können, am Waschbecken *zeigt mit der Hand hinter die Frau, wo sich ca. 75cm weit weg ein Waschbecken befindet* steht.“ Nein nein, ihr habt schon recht – die Hinweise sind absolut kryptisch, die drei Verkäuferinnen sicherlich nicht ansprechbar (ist eh alles nur laufende Deko) und dass aus einem Sprühkopf was rauskommt, wenn man drauf drückt, absolut überraschend. Ist dennoch viel intillenter…oder wie schreibt man das..? ach egal! viel mehr kluk, als sich die Flasche direkt (und mitten im Laden) unters Shirt zu halten und einmal kräftig drauf zu drücken im Glauben, es sei ein Deo… Waaaaas?! *empört* ist doch eine Sprühflasche!

Wie eine Kollegin so schön sagte: „Schaum-Party in da Haus!“

Worüber man auch noch gut statistische Daten bei uns sammeln kann, ist das Vertrauen. Vertrauen in die Kompetenz der Angestellten. Ich weiß, diese ist tatsächlich nicht immer gegeben. Aber immerhin kann man davon ausgehen, dass die Angestellten über das aktuell vorhandene Sortiment informiert sind. Und da wirds interessant… Unter vielen, die uns wenigstens dieses Wissen zutrauen, gibt es auch solche, die es nicht tun. Und zu unserem Leidwesen nicht einmal zuhören wollen. Zum Beispiel:

Eine Dame kommt vorbei und möchte ein Produkt nachkaufen. Die Info: es war ein Duschöl in einer grünen Falsche. Ich zeige ihr ein Duschöl in einer grünen Flasche. Ne, die Falsche war heller. Ok. Kein Problem. Gemeint ist dann die alte Verpackung von einem Produkt, das seit etwa einem halben Jahr in weiß verpackt wird. Ich kläre die Dame darüber auf, dass diese Linie vor einem Halben Jahr ein optisches Update erhalten hat und nun so aussieht. „Hier, das ist die dazu gehörige Körpercreme, die riecht genauso wie das Duschöl. Ist das Ihr Duft?“

„Ja, genau. Aber ich suche nicht die Körpercreme, ich suche das Duschöl!“

„…ich wollte Ihnen nur den Duft zeigen, damit wir sicher sein können, dass das Ihr Produkt ist. Die Flasche ist jetzt einfach nur weiß.“

„Ne, die ist grün. Die da!..“ *greift zwei Regale zu hoch nach der grünen Falsche* „…war aber heller…“

„Das ist ja auch ein anderer Duft. Der hier…“ Halte ihr die entsprechende Körpercreme unter die Nase*

„Ne! Der war es sicher nicht!“ rümpft sie die Nase…

„Genau. Ihr Duschöl hatte vor etwa einem halben Jahr eine hellgrüne, durchsichtige Verpackung…“

„Ja, genau! Mit Blumen oder sowas drauf!..“ unterbricht sie mich.

„Genau. Und die roch so, wie die erste Creme, die ich Ihnen gezeigt hatte, bei der Sie auch den Duft erkannt hatten. Die Flasche ist jetzt allerdings weiß und nicht mehr grün. Damit es eben nicht mehr zu diesen Verwechslungen kommt…“

„Aha. Ok… Also gibt es das nicht mehr.“

„Doch doch, diese weiße Flasche ist es“ *reiche ihr die Flasche*

„Aber ich wollte ja das grüne!“

„Das ist das ehemals grüne Duschöl. Genau das Gleiche, was Sie hatten, nur eben in einer neuen Verpackung.“

„Sind sie sicher..? Das sieht bei mir aber anders aus…“

…auf diese Weise ging es noch ein bisschen weiter, doch irgendwie ist es mir dennoch gelungen, sie davon zu überzeugen, dass es das richtige ist… auch wenn sie bis zum bitteren Ende skeptisch geblieben ist.

Hart auf die Probe gestellt wurden wir auch bei dem Thema „Eistee“. Wir begrüßen unsere Gäste zur Zeit mit einem kleinen Getränk – einem hauseigenen Eistee. Nicht nur ein Gast hat uns diese Woche gefragt, ob er warm sei… Habt ihr das schon mal getrunken – einen warmen EIStee? (Abgesehen von der in der Sonne vergessenen Packung…) Also in der Regel ist er kalt. Weil EIStee. E-I-S-tee… Verzehrempfehlung: möglichst kalt genießen. Inwiefern dann solche Fragen wie „Eistee? Ist er sehr heiß?“ sinnvoll sind, bleibt natürlich jedem selbst überlassen, aber es rüttelt gehörig an meinem ohnehin schon bröseligem Bild von Homo sapiens sapiens…

Und so weiter… So war im großen und ganzen unsere Woche im Geschäft: Gespickt mit nicht lesen könnenden Kunden, gewürzt mit Unfreundlichkeit und herabschauendem Verhalten, glasiert mit diesen herrlichen „Ups-Momenten“ und die Kirsche auf der Torte waren solche wundervolle Fragen, wie das mit dem EIStee. Ein Intensivkurs in Geduld und Selbstbeherrschung wars. Eine sehr anstrengende Woche, in der die Vorkommnisse, über die ich sonst bei den „Anekdoten aus dem Alltag“ scheibe bzw. lache einfach gesammelt und geballt über unser kleines und bemühtes Team eingebrochen sind. Jetzt brauche ich erstmal einen intellektuellen Ausgleich…

 

2 Gedanken zu “„Ich sehe dumme Menschen…“

  1. Ich lieeeeebe unseren Job!
    Hatte heute natürlich wieder so eine Begegnung 🙂
    Liebe Grüße von deiner etwas angenervten Kollegin ^^

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