Jeder, der mal mit Kunden gearbeitet hat, kennt diese Spezies: unfreundlich bis unverschämt, öfter mal dreist und manchmal sogar richtig laut, ganz schnell dabei Drohungen auszusprechen und die Kontaktperson zu denunzieren. Die Dampfablasser. Eine ganz spezielle, besonders beliebte Kundensorte, die einem gut und gern den Geduldsfaden stramm zieht und gern fern bleiben kann. Heute geht es um keine bestimmte Person, sondern um diese spezielle Sorte von Menschen.

Unsere Welt ist nun mal so organisiert, dass wir stets zwischen den Rollen eines Dienstleisters und eines Kunden hin und her wechseln. Daher sollte man davon ausgehen können, dass ein jeder mal am eigenen Leib erfahren hat, wie es ist, einen unzufriedenen oder einfach nur einen unangenehmen Kunden betreuen zu müssen. In der Theorie. In der Theorie lernt auch ein jeder von uns im Kindesalter „was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andren zu“ in irgendeiner Form. Eine schöne Theorie. Würde sich jeder daran halten, würden wir in einer friedlichen glücklichen Welt leben. Aber die Praxis sieht nun mal anders aus: es gibt immer wieder Menschen, die meinen, sie könnten eine wildfremde Person, die rein gar nichts für deren quer sitzenden Furz kann, nach belieben anschnautzen, beleidigen, anschreien und sogar bedrohen. Zum Beispiel: eine Kollegin kommt aus dem Lager, im Verkaufsraum befindet sich eine weitere Kollegin, die mit einer Kundin spricht. Die Kundin sieht die neu dazu gekommene Kollegin und sagt ihr: „Lächeln sie mal, sie gucken so unfreundlich!“. Die Kollegin tut, wie ihr befohlen (so manch anderer hätte es ja schon aus Prinzip nicht gemacht…). Die Kundin fängt darauf an zu behaupten, sie würde ihr Grimassen schneiden, sie solle lieber zurück auf die Schule und sich ihren Job nochmal erklären lassen und sie würde sich über sie beschweren, denn sowas geht gar nicht. Die besagte Kollegin sagt da gar nichts zu und versucht verzweifelt zu verstehen, was die verrückte Grätsche von ihr will. Daran rätselt sie bis heute noch, aber die Beschwerde kam tatsächlich noch am selben Abend an einer offiziellen Stelle an. Warum ist das passiert? Weil irgendjemand an dem Abend der Meinung war, man kann seine angestaute Frust an der nächstbesten Person auslassen, die einem optisch nicht zusagt – aber bitte an jemandem, dem man auf offiziellem Wege deswegen das Leben schwer machen kann. Verrückt, oder?

Ich selbst hatte letztens noch eine telefonische Begegnung dieser Art. Ein Kunde rief an, verlangte mein Typ namentlich ans Telefon und berichtete mir mit angespannter Stimme, dass er bereits zwei mal bei uns im Laden wegen eines nicht funktionierenden Duschprodukts war und man ihm diesen nicht umtauschen wollte, da weder meine Chefin noch ich zugegen waren. (Warum meine Kolleginnen sich weigerten..? Weil sie diese Verpackung gar nicht kannten – das war das Design von vor 3 Jahren. Und außerdem funktionierte es sehr wohl noch, aber das hatte ich erst später erfahren…) Als ich ihm zu erklären versuchte, dass das ein schon ziemlich altes Produkt sei, fiel er mir ins Wort und da fing die ganze Gaudi erst richtig an: er könne ja nichts dafür, dass unsere Firma alle drei Wochen das Produktdesign ändern würde und das Produkt ist nie und nimmer so alt (obwohl er in der Zwischenzeit bereits mehrmals das neuere Design selbst nachgekauft hatte, diese Variante hätte er kürzlich geschenkt bekommen) und nach deutschem Verbrauchsrecht ist an jedem Produkt 24 Monate Garantie drauf und er wüsste ja nicht, wo ich mein Deutsch gelernt hätte, dass ich das nicht wüsste und er würde einen prächtigen Brief an unsere Zentrale schreiben, wo er ganz besonders die Freundlichkeit und Kooperationsbereitschaft unserer Filiale hervorheben würde… Diese ganze Arie erfolgte in zunehmender Tonlautstärke mit abwechselnd drohendem und sarkastischem Unterton wobei jeglicher Versuch meinerseits, irgendetwas dazu zu sagen – oder auch einfach seine Fragen zu beantworten -, wurde spätestens nach dem vierten Wort unterbrochen. Ich mein – klar, ist doch das normalste von der Welt eine wildfremde Person anzurufen, von der man eigentlich was will, und sie zu diesem Zwecke zehn Minuten lang am Telefon anzubrüllen und hämisch anzufahren. Mach ich auch immer, wenn ich was brauche, weil die Menschen sich dann besonders kooperativ zeigen und einem ganz besonders gern entgegen kommen.

Oder auch solche: ein überaus gut laufender Samstag, voller Laden, eine Schlange vor der Kasse. Ein Kunde zwängt sich zwischen zwei Kundinnen durch, schmeißt uns seine – maximal eine Stunde alte, dafür aber schon gut zerknitterte – Einkaufstasche auf die Theke, wedelt mit seinem Beleg in der Luft und beschwert sich lautstark, dass er jetzt noch 50 km extra fahren musste, weil wir ihm eines der gekauften Produkte nicht in die Tasche gelegt hätten. Meine Chefin – die Angesprochene in diesem Fall – schaut sich den Beleg an, schaut sich unseren Kassenbereich an, erkundigt sich bei allen anwesenden Angestellten, ob jemand von uns das besagte Produkt weggeräumt hätte. Nein, ist nicht der Fall. Sie erklärt dem Kunden, dass in diesem Fall das Produkt definitiv in der Tasche war, als wir sie ihm überreichten, denn es wurde mitgescannt und blieb auch nicht nachträglich im Kassenbereich stehen – er möge bitte nochmal im Auto nachschauen, da sei es wahrscheinlich rausgefallen. Ja, kenne ich selbst, sowas rollt gern mal unter den Sitz, wenn die Tasche umfällt. Der Kunde war jedoch bis dahin bereits rot angelaufen und brüllte – sodass die Damen, zwischen die er sich gedrängt hatte, gut paar Schritte gewichen waren -, dass wir ihn verarschen würden und wir sollen das Produkt sofort rausrücken. Als meine Chefin standhaft blieb, versicherte er uns, wir würden ihn hier nie wieder sehen – in einem Ton, nach dem wir uns alle ein „na Gott sei Dank“ verkneifen mussten, inklusive Kunden.

Warum glauben einige Menschen, sie hätten das Recht ihren Frust über schlechten Schlaf, schwierigen Stuhlgang, verweigerten Beischlaf, eine Schelte vom Chef oder sonstige Unannehmlichkeiten, an unbeteiligten Dritten auslassen? Das sind bestimmt diejenigen, die als Kinder Tiere gequält haben… Auf jeden Fall ist das der destruktive Typ Mensch, dem die Welt all die blutigen, tausende von Menschenleben fordernde Aktionen der Geschichte zu verdanken hat. Ein Paradebeispiel für die erwachsen gewordene „ich will jetzt aber!!!!“ *stampf mit den Beinen, schrei, kreisch, winsel, brüll, welz dich hysterisch auf dem Boden…*-Kinder. Nur dass es bei allen früher oder später ankommt, dass da die Tränen nicht besonders hilfreich sind – die aggressiven Einschüchterungsversuche aber manchmal schon. Da fragt man sich manchmal, ob die so ERzogen, oder so VERzogen wurden..? Ersteres impliziert wenigstens, dass sie es nicht besser wissen, weil sie es nur so gelernt haben, auch wenn jeder erwachsene Mensch es eigentlich gelernt haben müsste, dass solches in der Öffentlichkeit zu präsentieren einem selbst ebenfalls schaden kann. Letzteres dagegen heißt, dass die willensschwachen Eltern ein Ungetüm heranwachsen ließen, einen sadistischen Kleingeist, der es gewohnt ist, alles zu bekommen, wenn es nur stark genug brüllt.

So sehr solche Gestalten einem auch den Tag versauen können – ein „normaler“ (im Sinne von „noch als gesund geltender Maß an psychischen Störungen“) Mensch würde nicht weiter ziehen und sich an einem weiteren fremden Unbeteiligten abreagieren. Welcher Mensch, der nicht an geistiger Armut leidet, verspürt schon Genugtuung oder Befriedigung, wenn er andere klein zu machen versucht..? In diesem Sinne:

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5 Gedanken zu “Die Dampfablasser

      1. Wahrscheinlich haben solche Menschen in ihrem Leben sonst nichts zu melden und kuschen vor Chef/Frau, dann fallen sie über eine Person die freundlich bleiben muss und fühlen sich plötzlich wie die Größten, traurig 😦

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      2. Ja, solche Menschen gibts leider reichlich – welche, die sich nur gut fühlen, wenn sie andere schlecht machen. Um einiges schlimmer ists, wenns die Kollegen sind, oder gar der Partner… Die ziehen nicht so schnell weiter und können einem das Leben dauerhaft schwer machen.

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